Wie lange dauert ein Tag?
Na, der Tag dauert 24 Stunden, das weiß doch jedes Kind. Doch so einfach ist die Sache nicht. In Nordfinnland, nördlich des Polarkreises, geht im Sommer die Sonne nicht unter, dauert der Tag daher mehrere Monate?
Wir müssen daher erst einmal definieren, was ein Tag ist. Man lernt: An einem Tag dreht sich die Erde einmal um sich selbst, also um 360°. Mitnichten, die Erde dreht sich in 23 Std. 56 Min. einmal um sich selbst.
Die Erde bewegt sich auch einmal im Jahr um die Sonne, und an einem Tag legt sie dabei ca. 1° zurück. Um das auszugleichen, muss sie sich an einem Tag um ca. 361° drehen. Diese Werte sind – wie auch alle folgenden – angenäherte Werte, weil es für die Wirkungsweise nicht auf die letzte Dezimalstelle drauf an kommt.
Wenn sich die Drehung der Erde nicht für die Definition des Tages eignet, ist es dann etwa Der Abstand von Mittag zu Mittag? Als erstes muss man definieren, wann Mittag ist. Über viele Jahrhunderte war Mittag, wenn die Sonne genau im Süden steht und sie dabei auf ihrer Bahn den höchsten Punkt am Tag erreicht hat. Würde man an einem festen Punkt eine Kamera aufstellen, die ein Jahr lang an jedem Tag (oder Woche) zur gleichen Uhrzeit ein Foto von der Sonne macht, müsste doch zum Schluss eine senkrechte Linie am Bild zu sehen sein, vom höchsten Punkt am 21. Juni zum tiefsten Punkt am 21. Dezember. Tatsächlich zeigt sich aber eine Kurve in Form einer Acht. Also ist auch der Mittag nach dem Sonnenstand kein zuverlässiges Merkmal für die Tageslänge. Die Tage nach dem Sonnenstand sind übers Jahr gesehen nicht gleich lang.
Durch die Einteilung der Erde in Zeitzonen stimmt die Zeiteinteilung nach dem Sonnenstand nur an den Bezugslängengraden, das ist für Mitteleuropa der 15. Längengrad, er geht in Österreich von Gmünd im Waldviertel nach etwa Lavamünd. In Lienz mit 12,77° östlicher Länge ist der Wahre Mittag durchschnittlich um 12:09, während der Sommerzeit gar erst um 13:09.
Die Bahn der Erde um die Sonne
Die Bahn der Erde um die Sonne ist eine Ellipse. Interessanterweise ist die Erde im frühen Jänner der Sonne am nächsten. Nach den Gesetzen von Kepler ist die Geschwindigkeit dann am höchsten. Wenn sich die Erde am Tag um 1° „nachdreht”, um die gleiche Stellung zur Sonne zu haben, muss sie sich um ein Quäntchen mehr nachdrehen, weil sie sich schneller weiter bewegt. Das bewirkt, dass die Tage im Halbjahr verschieden lang werden. Das Sommerhalbjahr dauert dadurch 1 Woche länger als das Winterhalbjahr.
Die Rotationsachse der Erde steht um ca. 23,5° schräg gegen die Senkrechte der Bahnebene der Erde, sie wird auch Ekliptik genannt. Das ist die Ursache der Jahreszeiten. Die Sonnenzeit wird aber an der Drehung entlang des Erdäquators
gemessen. Dementsprechend dauern die Sonnentage um 20 sec. länger oder kürzer. Diese Zeiten summieren sich über das Vierteljahr im Rhythmus der Jahreszeiten zu Zeiten bis zu 10 Minuten.
Diese beiden Abweichungen vom gleichmäßigen Ablauf der Erde um die Sonne summieren sich zur so genannten Zeitgleichung. Eine Sonnenuhr, die die Wahre Ortszeit WOZ, das ist die Sonnenzeit, anzeigt, geht um diese Zeit „falsch”. Sie geht natürlich nicht falsch, sie zeigt nur eine andere Zeit an. Die Achterkurve des Bildes auf Seite 1 ist die zusammengefaltete Zeitgleichungskurve. Die Sonnenzeit ist an Orten mit verschiedenen Längengraden unterschiedlich, zwischen Wien und Innsbruck sind es 20 Minuten.
Die Dauer des Tages
Aus vorgenannten Gründen dauert der Sonnentag im Lauf des Jahres verschieden lang, die Abweichungen liegen im Minutenbereich. Das war über Jahrhunderte egal, weil mangels übergreifener Kommunikation die örtliche Sonnenzeit bestimmend war. Mit dem Aufkommen der Räderuhren bemerkte man die Abweichung dieser gegen die Sonnenuhr. Räderuhren, aber auch alle anderen elektronischen Uhren beruhen auf einer periodischen Schwingung, sie können nur gleichmäßig ablaufen. Man einigte sich auf eine übers Jahr gemittelte Zeit. Damit sind die Tage im Jahr wieder gleich lang. Nur die alten Sonnenuhren zeigen (meist mit römischen Ziffern) die Sonnenzeit an.
Die Dauer des lichten Tages
Die Dauer des lichten Tages ist abhängig vom Breitengrad (in der Äquatorgegend ist der Tag und die Nacht fast gleich lang) und der Jahreszeit wegen der Höhe der Sonnenbahn.
Interessant dabei ist, dass z. B. der früheste Sonnenuntergang nicht am 21. Dez. ist, sondern am 11. Das ist wiederum mit der Zeitgleichung zu erklären. Gerade um Weihnachten ändert sich die Zeitgleichung schnell. Dadurch verschiebt sich auch die Zeit der Räderuhr, nach der Sonnenzeit wäre der früheste Sonnenuntergang am 21. Dezember. Der wahre Mittag (Sonnenhöchststand) fällt nur an einem einzigen Tag im Jahr (um Nikolo) auf 12:00 Uhr ME(S)Z.
Die Sommerzeit
Die Frage, welche Zeit die „bessere” ist, wird heiß diskutiert. Wie sich die Dämmerungszeiten im Laufe des Jahres ändern, ist in der Grafik dargestellt. Während viele von den langen Sommerabenden der Sommerzeit träumen, fürchten sich andere vor den finsteren Wintermorgenstunden. Die Zeit, die dem natürlichen Ablauf der Sonne entspricht, ist jedenfalls die Normalzeit. Sie entspricht eher dem natürlichen Lebenslauf und dem biologischen Schlafrhythmus.
Heinrich Stocker